Zum Hauptinhalt springen
AutoScout24 steht Ihnen aktuell aufgrund von Wartungsarbeiten nur eingeschränkt zur Verfügung. Dies betrifft einige Funktionen wie z.B. die Kontaktaufnahme mit Verkäufern, das Einloggen oder das Verwalten Ihrer Fahrzeuge für den Verkauf.

Weltpremiere: BMW i3 – Dr. Seltsam

Die Umwelt krankt: Klimakrise, schlechte Luft in den Städten und Verkehrsinfarkte machen uns das automobile Leben zunehmend schwerer. BMW hat deshalb den Wunderheiler i3 ins Rennen geschickt, der uns von diesen Übeln kurieren soll - bei unverändert hohem Lebensstandard. Der am 29.

Juli 2013 simultan in London, New York und Peking enthüllte Vollblutstromer verspricht Heilung, doch er ist auch ein Dr. Seltsam, an den man wohl fest glauben muss, damit seine kurativen Kräfte auch ihre Wirkung entfalten. BMW versprühte gesunden Optimismus. Emphatisch feierten die Münchener ihren exotischen Neuling mit wohlinszeniertem Medienrummel, bei dem zeitgleich in London, New York und Peking die Premierentücher von der finalen Serienversion gezogen wurden und die beiwohnenden BMW-Strategen mit selbstbewussten Statements und markigen Worten nur so um sich warfen. BMW-Chef Reithofer sprach gar von „Einem Tag, an den sich Generationen erinnern werden.“ Andere Redner bezeichneten das i3-Konzept als „Visionäre Mobilität“ und „Meilenstein“, der als konsequent genutzter Mobilitätsansatz sogar „Win-Win-Win-Situationen“ heraufbeschwören könnte. Und BMW-Vertriebschef Ian Robertson bezeichnete den i3 als „Game-Changer“, der in mehrfacher Hinsicht prägend für die Zukunft einer ganzen Branche werden könnte.

Gewöhnungsbedürftige Optik

Wenn man allerdings DEM Zukunftsauto gegenübersteht, kann man als Kenner der Marke BMW auch ins Grübeln kommen, ob denn der i3 wirklich der Türöffner in eine prosperierende Zukunft der neuen Submarke „i“ sein wird. Wohlwollend könnte man den i3 als „knuffig“ umschreiben. Ebenfalls darf man anerkennend konstatieren, dass die Außenhaut eine futuristische Premium-Aura bietet. Doch abgesehen von der großen Niere zwischen den Scheinwerfern hat dieses Auto designtechnisch nichts mehr mit der Marke BMW zu tun. Vor allem jetzt, wo BMW doch eine allgemein anerkannte, besonders gefällige, homogene Designsprache jenseits der Bangle-Experimente gefunden hat, scheint der i3 optisch irgendwie auch eine Art von Rückschritt zu sein.

Doch vielleicht ist dieses gewagte Design auch der richtige Weg, denn immerhin erinnert der fraglos fortschrittliche i3 in seinen Proportionen an den legendären Audi A2, der ebenfalls vielfach verkannt und als markenuntypisch abgewatscht wurde, der heute jedoch als uneingeschränkt visionär und seiner Zeit voraus gilt und der auf dem Gebrauchtmarkt selbst mit hohen Laufleistungen und im fortgeschrittenen Kleinwagenalter Traumpreise erzielt.

Die Zwei-Komponenten-Karosserie

Wie beim A2 wird das Erscheinungsbild des i3 von einem im Verhältnis zur Fahrzeuglänge (fast vier Meter) recht hohen Aufbau mit kurzer Knubbel-Schnauze geprägt. Diese Form des i3 ist vor allem bauartbedingt, denn während es sich beim unteren Teil des Fahrzeugs um eine Art Sandwichboden (Drive-Modul) mit Batterie und Fahrwerk handelt, wurde das Passagierabteil (Life-Modul) samt Antriebstechnik und Leistungselektronik oben aufgesetzt. Das Ganze steht zudem noch auf luft- und rollwiderstandsarmen Schmalreifen, die auf riesige 20-Zoll-Rädern gezogen wurden.

Dank dieser ungewöhnlichen Karosseriekonstruktion bietet die Fahrgastzelle für ein derart kurzes Auto gute Beinfreiheit für vier erwachsene Passagiere und für deren Füße sogar besonders viel Spielraum, da ein bei BMW-Modellen sonst üblicher Kardantunnel fehlt. Auch mit der Kopffreiheit kann man zufrieden sein, denn selbst mit dem optionalen Glasschiebedach geraten Personen im Fond erst mit über 1,90 Meter Körperlänge mit dem Dachhimmel in Zwangskontakt.

Nach hinten öffnende Fondtüren, keine B-Säulen

Eine Besonderheit des i3 sind die kurzen, nach hinten öffnenden Fondtüren. Der Clou: Dank der durch den massiven Einsatz von Karbon sehr steifen Karosserie konnte BMW auf eine sonst übliche B-Säule verzichten. Trotz dieses beidseitig fehlenden Pfostens ist der Zustieg in den Fond etwas eng, ebenso wie das Platzangebot des 260-Liter-Kofferraums, der sich dank einer umklappbaren Rückbank aber erweitern lässt. Großeinkäufe sind also auch mit dem i3 möglich.

Ansonsten kennt man diverse Teile im Interieur von anderen BMW-Modellen, während anderes eher ungewöhnlich ist. Neben dem zum Teil sichtbaren Karbon sind es einige natürlicher wirkende Öko-Materialien wie die aus Pflanzenfasern hergestellten Türinnenverkleidungen oder offenporiges und naturbelassenes Eukalyptusholz. Vor allem diese „lebendigen“ Werkstoffe verleihen dem wohnlichen Interieur seinen feinen Lounge-Charakter. Aber auch ganz typische und profane Kunststoffe wurden hier verbaut. Alles hat weitgehend Premium-Touch, lediglich an einigen wenigen Stellen kann man kleinere Schwächen in der Verarbeitung entdecken, doch macht der i3 einen insgesamt absolut soliden Eindruck.

Zwei Displays

Der Arbeitsplatz ist wohnlich, luftig und kommt ohne klassische Rundinstrumente aus. Dafür gibt es zwei rechteckige Displays, die freistehend dem Interieur einen technisch progressiven Touch verleihen. Während das Display hinterm Lenkrad vor allem fahrrelevante Informationen kredenzt, dient das größere Display (versionsabhängig 6,5 oder 8,8 Zoll groß) zentral auf dem luftig geschwungen Armaturenbrett als Anzeige- und in Kombination mit dem iDrive-Controller als Bedieneinheit für viele Fahrzeugfunktionen und Multimedia-Anwendungen sowie dem optional gegen Aufpreis verfügbaren Navigationssystem.

Fast schon wie ein Fremdkörper wirkt in diesem ansonsten recht innovativen Arrangement eine klassische Bedieneinheit für das Radio mit Lautstärkenknopf und Senderstationstasten. Anders als beispielsweise Tesla im Model S, bei dem konsequent alle Funktionen über einen riesigen Touchscreen bedient werden, hat man sich bei BMW noch für einige klassische Bedienelemente entschieden.

Mit Ein-Gang-Getriebe

Wiederum etwas futuristischer wirkt ein großer Lenkrad-Satellit, der Startknopf, Parkknopf und Getriebemodus-Schalter vereint. Auf eine klassische Schaltkulisse für eine Automatik hat man verzichtet. Mit dem Getriebemodus-Schalter kann man allerdings nur zwischen Vorwärts- und Rückwärtsfahren wählen, denn das Getriebe verfügt über nur einen Gang.

Hier zeigt sich ein konstruktionsbedingter Vorteil des E-Antriebs, der allein über das Drehzahlniveau des Motors die Geschwindigkeit variiert. Immerhin 170 PS mobilisiert das nahe der Hinterachse positionierte Aggregat und sorgt für einen zumindest von unten heraus spektakulären Schub. Unter anderem die besondere Leichtbaukonstruktion sorgt für das spritzige Naturell, denn der E-Motor kann den nur 1,2 Tonnen wiegenden Stromer in knapp über sieben Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 wuchten. Bei der Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h muss man sich allerdings mit einem bescheidenen Wert zufrieden geben.

Bescheiden ist auch die Reichweite, denn der stark von der Fahrweise abhängige Radius soll zwischen 130 und 150 Kilometer liegen. Angesichts der praktischen Endlos-Reichweiten von klassischen Verbrennungsmotormodellen (lediglich unterbrochen von kurzen Tankstopps) ist diese Einschränkung für viele Autofahrer ganz sicher ein Ausschlusskriterium.

Doch eigentlich kein zwingendes, denn BMW hat sich einiges einfallen lassen, dem Potenzialdenken der meisten Autofahrer mit Alternativen weiterzuhelfen. So will man daran arbeiten, ein Netz von Schnellladestationen aufzubauen, welches es ermöglichen soll, die Batterien in rund 30 Minuten wieder aufzuladen. Auch mobile Notladehelfer für liegengebliebene i3 sollen zum Einsatz kommen. Alternativ gibt es außerdem noch die Möglichkeit für i3-Besitzer, im Rahmen eines speziellen Leasingvertrags, Zugang zu klassischen BMW-Modellen zur günstigen Anmietung zu bekommen.

Auch mit Verbrennungsmotor

Und wem das immer noch nicht reicht, der kann den i3 mit Reichweiten-Verlängerer bestellen. Hier dient ein zusätzlich an Bord befindlicher Zweizylinder-Benziner mit 650 Kubikzentimeter Hubraum als Stromgenerator, dessen dann frisch erzeugte Energie zum Antrieb des i3 genutzt werden kann. Eine mechanische Verbindung zwischen dem Zweizylinder und den Rädern gibt es nicht.

Allerdings kostet diese 2Drive genannte Antriebsversion 5.000 Euro Aufpreis, erhöht das Gesamtgewicht auf fast 1,4 Tonnen und sorgt deshalb für eine Sprintzeitverlängerung auf 7,9 Sekunden für die 100-km/h-Disziplin. Doch selbst als E-Mobil mit Range-Extender ist der i3 ein Leichtgewicht, denn ein Opel Ampera bringt es bei deutlich geringerer Batteriereichweite auf rund 1.730 kg.

Mit dem 2Drive-i3 hätte man zwar das Reichweitenproblem überwunden, doch würde man andererseits mit ihm vom Ideal des emissionsfreien Fahrens wieder ein Stück weit abrücken. Aber das ist ohnehin so eine Sache: Ohne indirekten CO2-Ausstoß kann man selbst den rein batterieelektrischen i3 nicht fahren, denn dieser emittiert allein schon bei der Produktion CO2 und auch der Strom für den Vortrieb ist, sofern er aus dem öffentlichen Stromnetz kommt, keineswegs CO2-neutral.

Immerhin hat BMW hier ein paar lobenswerte Ansätze, der CO2-Falle zumindest teilweise zu entkommen: So bezieht BMW einen Teil der für den Bau des i3 benötigten Energie aus Wasser- und Windkraft. Und für besonders ambitionierte CO2-Vermeider will BMW noch eine hauseigene Photovoltaik-Tankstelle anbieten, mit der man dann den sauber gewonnenen Strom direkt in die von Samsung gebaute Lithium-Ionen-Batterie speisen kann. Aber selbst ohne diese konsequenteren CO2-Reduzierungsmaßnahmen ist der i3 schon heute ein CO2-Vermeider. Denn laut BMW soll der i3 im Vergleich zu einem 118d nur halb so viel CO2 über den gesamten Lebenszyklus verursachen. Immerhin.

Ab 35.000 Euro

Autofahrer, die sich als Vorreiter einer sauberen Mobilitätszukunft hervortun und einen i3 kaufen wollen, müssen allerdings etwas tiefer in die Tasche greifen. Die Basis kostet 35.000 Euro und sind dann noch einige Extras und Annehmlichkeiten im Angebot, die den Preis noch um einige tausend Euro nach oben treiben können. In diesem Punkt ist der i3 dann doch ein echter BMW.

Erfreulicher Weise ist im Kaufpreis des i3 der Erwerb der Batterie inkludiert und nicht wie bei vielen anderen Anbietern noch mit einem Batterie-Leasing gekoppelt. Kaufen wird man den i3 übrigens nicht klassisch beim BMW-Händler, sondern der Kaufvertrag wird mit BMW direkt via Internet geschlossen. Auch hier geht der Stromer recht eigene Wege. Der i3 ist ein mutiger Schritt von BMW. Welchen Erfolg die neue Produktlinie haben wird, muss sich noch zeigen. Der Triumph scheint allerdings nicht vorprogrammiert, denn auch beim i3 bleiben die alten Vorbehalte bestehen: eingeschränkte Reichweite, hohe Anschaffungskosten und ein mit den tradierten Wertevorstellungen von Mobilität schwer vereinbares Konzept. Und dann ist da noch die eigenwillige Optik. Schon vor BMW haben andere Hersteller die E-Revolution heraufbeschworen und sind damit noch nicht sonderlich weit gekommen.

Möglicherweise ist der neue BMW-Stromer aber doch der entscheidende Impuls, der E-Mobilität in Deutschland und weltweit zum Durchbruch zu verhelfen. Denn immerhin wurde das Fahrzeug konsequent als E-Mobil konzipiert und kann vor allem der großzügige Einsatz des Leichtbaumaterials Karbon das allgemeine Reichweitenproblem des Elektroautos relativieren. Lösen kann die Karbonoffensive von BMW dieses Dilemma aber auch nicht.

Wollen Sie jetzt durchstarten?

Alle Artikel

audi-q6-e-tron-2024-titelbild

Audi präsentiert den neuen Q6 e-tron (2024)

News
BMW-Vision Neue Klasse X Concept-2024-1600-0d

BMW Vision Neue Klasse X wird iX3-Nachfolger

News
skoda-epiq-2026-heck

Skoda Epiq soll zum Volks-Stromer werden

News
Mehr anzeigen