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Grenzbereich: Jaguar F-Type Coupé – Theorie und Praxis

Das Jaguar F-Type Coupé ist ein echter Sportwagen geworden, so viel steht nach unserem Erstkontakt fest. Doch welche Motorisierung macht ihn zum besseren Sportwagen?

Wir haben das auf dem Nürburgring ausgefahren - der Sieger stand nach ein paar schnellen Runden fest. Um es zu verkürzen: Die Basisvariante mit 340 PS ist es nicht. Ihr fehlen einige wünschenswerte Features und Optionen. Die Entscheidung findet also statt zwischen dem F-Type S mit 380 PS und dem F-Type R mit strammen 550 PS.

Theoretisches

Im S kommt ein mechanisches Sperrdifferenzial mit 20 Prozent Sperrwirkung zum Einsatz, um mehr Traktion an der Hinterhand umsetzen zu können. Im R wurde dieses Performance-Teil durch eine elektronisch gesteuerte Lamellenvariante (Sperrwirkung 100 Prozent) ersetzt.

Beide F-Types können optional mit Keramikbremse geordert werden. Weil die erstens auch im Alltag wirklich gut funktioniert und zweitens gegenüber den Stahlscheiben eine wesentlich höhere Dauerhaltbarkeit auch bei höchster Beanspruchung auf der Rennstrecke bieten, sehen wir sie als Pflicht im ernsthaft eingesetzten F-Type an.

Bei der Motorleistung scheint die Sache auf dem Papier klar: Gegen 550 PS hat der V6 S mit 380 Pferdestärken keine Chance. Entsprechend lesen sich die Fahrleistungen: Tempo 300 gegen 275, 4,2 gegen 4,9 Sekunden, das sind doch Welten. Auf dem Papier jedenfalls.

Andererseits hat der R deutlich mehr Futter auf den Hüften, er wiegt 70 Kilogramm mehr als der S. Zudem steuert der größere Motor etwa 80 Prozent dieses Mehrgewichts bei, sie sitzen also genau dort, wo man sie nicht haben will: auf der Vorderachse.

Praktisches

Auf den ersten Runden der Grand-Prix-Strecke des Nürburgrings und im direkten Vergleich wird schnell klar, dass der F-Type R erwartungsgemäß deutlich saftiger beschleunigt und vor allem sein enormes Drehmoment (680 Newtonmeter stehen schon ab 2.500 Touren bereit) einsetzen kann, um aus der Ecke zu kommen. Der S dagegen stellt seinen Antritt erst ab 3.500 Touren bereit, ab dann liefert er ein Drehmoment von 460 Newtonmetern ab. Der R kann jederzeit souverän derart viel Leistung mobilisieren, dass bis in den vierten Gang auch Leistungsübersteuern machbar ist. Für die Burning-Rubber-Fraktion ist das aber sicher ein Argument (target=undefined)(Video) (target=undefined).

Doch auch der S lässt sich gerne zum Drift überreden, der Fahrer muss nur mehr Können einsetzen: Leistungsübersteuern findet hier im Vergleich zum R eher ein bis zwei Gänge tiefer statt und bei höherem Tempo muss man ein tänzelndes Heck schon über provozierte Lastwechsel umsetzen.

Doch auch der F-Type R hat seine Eigenheiten, denn er geht wegen seines Mehrgewichts auf der Vorderachse etwas unwilliger in die Kurve. Das bedeutet für unseren Vergleich zweierlei: Zunächst hat der R eine deutlichere Neigung zum Untersteuern, dem auch das Torque-Vectoring mit der elektronischen Regelung des Sperrdifferenzials nur in den Grenzen der Physik entgegenwirken kann (man kann es auch als Erste-Hilfe-Maßnahme gegen Übergewicht bezeichnen, doch das wäre bös’).

Zweitens hat der S durch seine leichtere Front in der Kurve die Nase vorn: Man kann mit ihm schneller in die Kurve rein. Diese Neigung lässt sich durch Trailbraking noch verstärken, wenn man also in die Kurve hineinbremst und so mehr Grip auf die Vorderachse gibt und gleichzeitig das Heck erleichtert.

Beide F-Type haben ein elektronisch geregeltes Fahrwerk, die Dämpfer werden im Millisekundenbereich optimal eingestellt, über den Dynamik-Modus erhält die adaptive Dämpfung eine härtere Grundabstimmung. In Abhängigkeit von Lenkbewegungen sowie Gas- und Bremspedalbefehlen werden die Dämpfer individuell geregelt. Beim Kurveneingang versteifen die äußeren Dämpfer, beim Anbremsen die vorderen, beim Beschleunigen die hinteren. Im R sind die Regelprozesse auf die höhere Motorleistung abgestimmt, er hat auch leicht höhere Federraten vorne und hinten. Dennoch wirkt das R-Paket bei forcierter Fahrt einen Tick zu weich abgestimmt.

Die Regelsysteme des R umfassen auch das Sperrdifferenzial, das seine Sperrwirkung über eine Lamellekupplung realisiert. Gleichzeitig wird es gegenüber dem mechanischen Pendant des F-Type S beim Parforce-Ritt eher mit Kühlproblemen zu kämpfen haben. Zudem belastet es die Bremsen durch die Torque-Vectoring-Impulse stärker - ein Umstand, der bei den Keramikstoppern zugegebenermaßen eher zu vernachlässigen ist.

Unterm Strich liefern sich die beiden F-Types ein Kopf-an-Kopf-Rennen: Der S ist leichter und kann diesen Vorteil vor allem vor und in der Kurve ausspielen. Der R ist stärker und spielt diesen Trumpf am Kurvenausgang und auf der Geraden aus - auf der Nordschleife ist er für eine Rundenzeit von unter 7:40 Minuten gut. Doch bei identischer Bereifung (20-Zoll-Sportreifen, vorne 255/35, hinten 295/30) und Bremse (Keramik, vorne 398 Millimeter Durchmesser, hinten 380) wird ein F-Type S dort nur wenig langsamer sein: Auf dem Geschlängel vom Hatzenbach oder Adenauer Forst, am Wippermann oder Pflanzgarten wird er einige der Sekunden gutmachen können, die ihm der R an Schwedenkreuz, Kesselchen und Döttinger Höhe abnimmt.

Aussortiert

Unter dem Strich und auf abgesperrter Piste macht der F-Type S mehr Spaß, vor allem, weil er mehr Kurvenräuberpotenzial hat. Er geht letztlich flotter in die Kurve hinein, die hervorragende Lenkung des F-Type kann in der S-Version ihre Präzision am besten ausspielen. Zudem hat der S auch den späteren Bremspunkt, was ihn gegenüber dem R als die sportlichere Alternative durchgehen lässt. Wer die Nordschleife in unter acht Minuten fährt, mag mich eines Besseren belehren.

Noch ein paar Runden

Auf der Grand-Prix-Strecke des Nürburgrings fühlte ich dem F-Type S nochmals verstärkt auf den Zahn. Im Gegensatz zum F-Type R hat der V6 S zwar eine Launch Control an Bord, die es auch dem weniger Geübten erlaubt, mit optimalem Radschlupf die im Prospekt versprochenen 4,9 Sekunden für den Sprint auf Tempo 100 zu schaffen. Doch das ist - ehrlicherweise - nur für den Stammtisch wichtig, denn in der Boxengasse gilt Tempo 60.

Im zweiten Gang geht es dann unter lautem Getöse hinaus auf die Bahn, schnell den Dritten eingelegt, bevor die Haarnadel-Rechts Richtung Mercedes-Arena eingefädelt werden muss. Der S ist hart auf der Bremse und schnell am Gas, im Zweiten geht es aus der Kurve heraus. Während ich die Lenkung sachte öffne um dem Kurvenaußenrand nicht zu nahe zu kommen, versuche ich die richtige Dosis Gas abzugeben um mit leicht rutschendem Heck möglichst viel Tempo aufzunehmen.

Im dritten Gang geht es in die Arena und unter Zug zeigt der F-Fype die Vorteile seiner ausgeglichenen Gewichtsverteilung: Mit dem Gas lässt sich der Kurvenradius bestimmen, ich taste mich an die Haftungsgrenze der Reifen von unten heran, um die kommende Links-Rechts-Kombi möglichst optimal zu erwischen und auf der anschließenden Geraden möglichst viel Tempo zu machen. Eine Schlüsselstelle, an der man mit dem Sechszylinder den R richtig ärgern kann.

Ich schalte manuell, den vierten und fünften Gang kann ich dank auffälliger Schaltpunktanzeige perfekt timen, um links-abwärts Richtung Müllenbachschleife perfekt hineinzubremsen. Der F-Type S dreht sich wunderbar hinein und der kommenden Abwärts-rechts entgegen, um zügig Tempo aufzunehmen. Nach der Schleife im dritten Gang geht es unter Volllast wieder hinauf auf die wohl schönste Stelle zu: das Schumacher-S. Es liegt aufwärts und kombiniert eine sehr schnelle Links-Rechts-Kombination, deren Eingang man blind aber mit Streckenkenntnis sehr schnell nehmen kann, ich erlaube mir ein kurzes Lupfen und die Curbs lassen den F nur kurz zuckeln - der Wagen stabilisiert sich unter Zug fast magisch und wie von selbst.

Die folgenden Sektionen sind wieder vom richtigen Eingangs-Speed geprägt und man hat schnell Vertrauen in die Bremsen gefasst, die es einem erlauben den Bremspunkt deutlich aufzuschieben. Abwärts über den sehr schnellen Linksknick in Richtung Schikane geht der weiße V6 wie die Hölle, ich beschleunige bis zum denkbar letzten Moment, um die Keramikscheiben wieder in die Zange zu nehmen. Auf dem Bremspedal gibt es kein Vertun, die Verzögerung ist auf unglaublich hohem, gleichbleibendem Niveau, kein Gezicke an der Hinterachse: Ich kann mich ruhig auf den Einlenk- und Umwerfpunkt der Schikane konzentrieren, um mich schon auf die letzte Kehre vor Start/Ziel zu freuen.

Am Ausgang der Cocoa-Cola-Kurve geht es nochmals bestimmt, aber nicht zu heftig aufs Gas, um unter freudigem Trompeten die Gerade hinunter zu krachen, ich habe noch genügend Zeit, mir den heranrasenden Bremspunkt in Erinnerung zu rufen.

Eine noch schnellere Runde liegt vor mir und dann noch eine, bevor ich das weiße Geschoß eine Runde abkühlen lasse und den V8 keinen Augenblick vermisst haben werde. Wer zünftigen Spaß haben will im neuen Jaguar F-Type Coupé, der greift zum S mit dem 380 PS starken V6-Kompressor für 78.500 Euro. Er spart rund 25.000 Euro gegenüber dem deutlich stärkeren V8, freut sich jedoch über das spürbar agilere Auto und kann für die letzte Rille auf dem Track-Day einen größeren Teil des Ersparten (12.900 Euro) in 20-Zoll-Rädern mit Sportbereifung und Keramikbremsen investieren.

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