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Erster Test: Porsche 911 Turbo – Adaptive Allmacht

50 Jahre 911, 40 Jahre 911 Turbo – 2013 ist ein jubiläenschwangeres Jahr für DIE deutsche Sportwagen-Ikone.

Grund genug für Porsche, bei seinem Überflieger 911 Turbo in der jüngsten Auflage mit einem Großaufgebot adaptiver Techniken nach Worten des Porsche-Chefs Matthias Müller die „Messlatte bei den ultimativen Sportwagen noch höher“ zu legen. Angesichts des faszinierend orchestrierten und von feinster Ingenieurskunst getriebenen Innovations-Arsenals dürften solvente Kunden wohl gerne bereit sein, den irritierend hohen Preis für den brutalen und doch gezähmten Turbo zu zahlen. Porsche ist ein Phänomen in der Autoindustrie, denn seit geraumer Zeit gibt es nur eine Richtung für die Zuffenhausener: aufwärts. Auch 2013 zeichnen sich im Vergleich zum Vorjahr wieder bessere Zahlen bei Absatz und Gewinn ab - trotz latent grassierender Wirtschaftskrise. Ein eindrucksvolles Zahlenspiel bietet auch das angesichts seiner 40jährigen Geschichte mittlerweile traditionelle 911-Modell Turbo, das in allen fahrdynamischen Belangen zulegen konnte.

Im Kern ist es der direkteinspritzende Turbomotor, der mit der vom Vorgänger bekannten variablen Turbinengeometrie aus seinen 3,8 Litern mit 520 PS ein Leistungszuschlag von immerhin vier Prozent aufweisen kann, während die „Stark“version Turbo S sogar um 30 Zähler auf 560 PS draufsattelt. Parallel stieg das Drehmoment jeweils um 10 auf 660 respektive 710 Newtonmeter. Im Gegenzug verringerte sich die Sprintzeit auf atemberaubend kurze 3,1 (Turbo S) beziehungsweise 3,2 Sekunden und endet das wilde Treiben bei 318 respektive 315 km/h.

Schmusiger Grobmotoriker

Diese fabelhaften Werte sind die Eintrittskarte in den allerexklusivsten Club hochkarätiger Alltagsraketen. Alltag? Obwohl sich der Turbo selbst mit radikalsten Boliden messen kann, ist er gleichermaßen ein erstaunlich kommoder und zunächst einmal ganz handzahmer Wagen, einsetzbar in allen Lebenslagen. Zugegeben, das Fahrwerk bringt eine gewisse Grundstraffheit ins Spiel, doch ansonsten lässt sich der durchaus manierliche Turbo ganz nonchalant pilotieren und provoziert auf den ersten Metern keine Schweißperlen bei Unerfahrenen. Und selbst wenn man ihn zu wildesten Express-Exzessen nötigt, bleibt er ein zunächst erstaunlich schmusiger Grobmotoriker.

Doch Schluss mit Schmusen, ich mache den Sprinttest: In der Mittelkonsole drücke ich zunächst die Sport-Plus-Taste, was für eine verschärfte Einstellung aller Systeme sorgt. Den Schalter des serienmäßigen Siebengang-Doppelkupplungsgetriebes auf D, den linken Fuß auf die Bremse, den rechten voll aufs Gaspedal. Die Drehzahlen schnellen spontan hoch und verharren bis zum Lösen der Bremse auf mittlerem Niveau. Als ich den Anker lichte, knallt der Zuffenhausener mit brutalster Härte nach vorne und die Drehzahlnadel nach oben.

Auf den ersten Metern spannen sich meine Halsmuskeln unwillkürlich an und muss ich viel Kraft aufwänden, um Haltung zu wahren. Ein, zwei Mal ist den Riesenrädern ein kurzes freches Quietschen zu entlocken und wechselt das eigentlich geschmeidig arbeitende DKG die Gänge mit fast unanständiger Härte. Doch ansonsten sorgen das automatisch schaltende Getriebe, die Traktionskontrolle, ein Sperrdifferenzial und ein besonders schnell reagierendes Allradsystem dafür, die massive Entladung von Motorkraft optimal in Vortrieb umzusetzen. Das Schöne: Dank der Launch-Control-Funktion kann eigentlich jeder in bis vor kurzem kaum vorstellbare längsdynamische Dimensionen vordringen. Einfach so.

Wassergekühlte Vorderachse

Als besonders dienlich beim Abrufen des maximalen Schubs erweist sich der neue Allradantrieb, der dank einer elektrohydraulisch gesteuerten Lamellenkupplung besonders reaktionsschnell die Kräfte zwischen den Achsen jongliert und die zusätzlich noch mehr Kraft als bisher an die Vorderachse leiten kann. Eine Wasserkühlung hilft im Vorderachsgetriebe, das neue Kräfteverhältnis zwischen den Achsen auch thermisch zu verdauen.

Auf der Landstraße kann man mit diesem eindrucksvollen Kraftmanagement eine Souveränität erleben, die sonst nur supersportlichen Motorrädern vorbehalten war. Überholen kann man eigentlich immer und überall. Ein kurzer, beherzter Gasstoß und der eben noch hinderlich vor mir schleichende Lkw verschwindet im Rückspiegel. Etwas kurios mutet allerdings die Akustik auf der Landstraße an, denn der dann bei niedrigen bis mittleren Drehzahlen operierende Sechszylinder klingt nicht so wild röchelnd und röhrend wie ein typischer Porsche-Boxer. Markant ist vielmehr ein häufiges Zischen und Pfeifen des Überdruckventils, welches mich an die Lokomotive Emma in der Interpretation der Augsburger Puppenkiste der Jim-Knopf-Geschichte von Michael Ende erinnert.

Wie bei „Spaß am Dienstag“

Und noch ein Fernseh-Held meiner Kindheit huscht dabei nicht nur vor meinem geistigen Auge hin und her: Im rechts vom Drehzahlmesser befindlichen Tunnel des Kombiinstruments befindet sich nämlich ein Display, welches einen über ein Diagramm wandernden gelben Punkt zeigt, dem schnell verblassende Leuchtspuren hinterher schwimmen. Wie einst der Bildschirm-Neurotiker Zini in der ARD-Kindersendung „Spaß am Dienstag“. Bei dem manchmal ähnlich hektisch durchs Diagramm wandernden Porsche-Bruder Zinis handelt es sich um die sogenannte Performance-Anzeige, die Auskunft über das Motordrehmoment in Abhängigkeit zur Drehzahl gibt. Eine Spielerei, gewiss.

Wirklich großes Kino bietet der 911 Turbo wiederum in Kurvenfahrten. Mit feiner, direkter Lenkung und nahezu wankfrei geht es um Biegungen. Unterbewusst spüre ich diese besondere Kompetenz, die der bislang stärkste aller 911er vermittelt, doch erst bei einer gefühlt nur mäßig schnell gefahren Kurve macht mir ein Vorderwagen deutlich, wie überlegen der Turbo ist: Während der betagte Lupo mit fast lächerlich anmutender Schlagseite ums Eck taumelt, wankt mein Elfer gefühlt nicht einen Millimeter zur Seite; aufrecht und feinchirurgisch folgt der Porsche meinen lässig-entspannten Befehlen, während beim Vordermann echte Arbeit angesagt zu sein scheint. Größere Probleme bereiten mir vielmehr die Verkehrsregeln, denn in der Region zwischen Paderborn und Bad Driburg mahnt die besondere Dichte fest installierter Blitzer zur Räson.

Bilster Berg – Rundkurs mit Tücken

Porsche hat diese Gegend Ostwestfalen-Lippes gewählt, um den geladenen Journalisten auch ein paar Eindrücke auf der Rennstrecke zu gönnen. Bilster Berg heißt der neueste Spielplatz für finanzstarke PS-Jünger, die mit Mausefalle und einer Mutproben-Kompression auf einer Zwischengeraden ganz besondere Nervenkitzel bereit hält. Porsche ist sich dieser Herausforderungen wohlbewusst und lässt deshalb nur geführte Runden zu, die dennoch meinen bisherigen Eindruck des hohen Perfektionsgerades des Über-Elfers durchaus verstärken.

Einige Kollegen tun sich schwer, dem vorausfahrenden Instruktor an den Fersen zu bleiben. Auch meine erhöhte Herzfrequenz deutet an, dass hier durchaus scharf gefahren wird. Dennoch vermittelt mir der im Sport-Plus-Modus etwas ausbruchstolerantere aber dennoch gut beherrschbare 911 kaum das Gefühl, an seine Reserven zu kommen. Lediglich an die des Benzintanks, denn die jetzt angesagten 30 Liter Verbrauch verleihen der Tachonadel einen erstaunlich schnellen Abwärtsimpuls.

Es geht aber auch deutlich langsamer: Mit 9,7 Litern hat sich der Normwert im Vergleich zum Vorgänger um fast zwei Liter verringert. Bei einer zweiten Landstraßenrunde zeigt mir der zuvor genullte Bordcomputer nach fast 80 Kilometern 9,4 Liter an. Sofern ich mit ruhigem Gasfuß vorausschauend fahre und den Segelmodus (Abkopplung von Motor und Getriebe) nutze, kann der 911 Turbo trotz Allradantrieb und mehr als 500 PS sogar manierliche Verbrauchswerte ermöglichen.

Da, wenn man sie braucht

Verantwortlich für den sparsamen Umgang mit dem Benzin sind neben dem erwähnten Segelmodus unter anderem noch eine Start-Stopp-Automatik und ein Aerodynamik-Feinschliff. Letzterer kann aber auch ins Gegenteil umkehren, denn wenn es besonders schnell gehen soll, wird auf maximalen Abtrieb umgestellt. Hierfür verantwortlich sind einerseits ein schon recht konventionell anmutender, dreistufig ausfahrbarer Heckspoiler und ein neuartiger pneumatischer Frontspoiler. Letzterer kann quasi durch aufpumpen ebenfalls in drei Stufen justiert werden und den Elfer automatisch bei höherem Tempo stärker auf die Straße pressen. Der Clou: Wird der Abtrieb nicht gebraucht, stört kein Spoiler an Rampen oder Auffahrten.

Damit hat der 911 Turbo nicht nur eine fahrtechnisch hilfreiche Adaptiv-Innovation, sie passt auch gut zum fein abgeschmeckten Optik-Konzept, denn der 911 Turbo verzichtet weitgehend auf eine Lambo-artige Großmannssucht-Inszenierung. Größere Luftöffnungen, breitere Karosserie, eine spezielle Auspuffanlage oder die serienmäßigen LED-Vollscheinwerfer sorgen auf noch halbwegs dezente Weise dafür, die Sonderstellung des Turbos in angemessener aber nicht übertriebener Weise zu dokumentieren.

Richtungsweisende Hinterräder

Ein Schmankerl arbeitet sogar völlig im Verborgenen: Der 911 Turbo verfügt über eine Allradlenkung. Die Aktuatoren an der Hinterachse können dabei die Winkel der Hinterräder um 2,8 Grad verstellen. Bei schnellen Kurven drehen sich die Räder in die gleiche Richtung wie die Vorderräder und sorgen so für eine Radstandverlängerung mit entsprechenden Stabilisierungseffekten. Geht es unter 80 km/h um Kurven, drehen sich die Räder hinten entgegengesetzt zur Lenkung und verringern so den Wendekreis auf 10,6 Meter – ein Bestwert im Segment und Garant für eine Wendigkeit auf Kleinwagenniveau.

Dieses und vieles andere im 911 Turbo arbeitet allerdings, ohne dass der Fahrer davon direkt Notiz nehmen wird. Es fügt sich alles zusammen zu einer verblüffend harmonischen Gesamtperfektion, wie auch die so herrlich vehement zupackenden und gut dosierbaren Bremsen einfach nur viel Vertrauen aufbauen. Fast meine ich, im 911 Turbo kann mir nichts passieren. Doch als auf meinen Bilster-Berg-Runden plötzlich ein Regenschauer die Fahr- zur Rutschbahn werden lässt, reagiert das Heck beim Rausbeschleunigen aus Kurven unheimlich nervös. Hier zeigt sich: Die Urgewalten des Turbos sind doch nicht ganz gebändigt.

Teuer, teurer, Turbo

Letztlich empfiehlt sich der 911 Turbo und mehr noch seine geschärfte Variante Turbo S für Leute mit starken Nerven auf der Suche nach dem ultimativen Kick, die zugleich noch auf ebenso starke Geldreserven zurückgreifen können. Rund 162.000 für den normalen Turbo und 195.000 Euro für den besonders umfangreich ausgestatten Turbo S – für das gleiche Geld bekommt man zwei klassische Saugmotor-Elfer, oder gar drei gut ausgestattete Cayman. Jeder für sich ist ein bereits anspruchsvoller Sportwagen. Wer sich den Turbo leisten und das Sportgerät auch artgerecht einsetzen kann, wird eine für andere Verkehrsteilnehmer verblüffende Machtdemonstration aufs Straßenparkett zaubern können, die alle anderen in Demut zur Seite fahren lässt. Ganz oben wird die Luft dünn. Wer sich selbst dort noch souverän bewegen will, bekommt mit dem 911 Turbo einen ganz besonders vorzüglich abgestimmten, irrsinnig schnellen und genial performanten Überflieger.

Trotz seiner dynamischen Superlative ist der 911 Turbo auch ein Fahrzeug, welches sich im Alltag durchaus gut einsetzen lässt und das sich zudem noch in erstaunlich einfacher Weise extrem schnell fahren lässt. Unter anderem dank vieler adaptiver und innovativer Systeme schafft er diesen Spagat.

Für das exklusive Technikarsenal ruft Porsche allerdings Preise ab, ob derer man ins Grübeln kommen könnte, denn rassiges Porsche-Feeling und hohes Sportwagen-Niveau bietet auch ein Cayman, der allerdings nicht einmal ein Drittel des 911 Turbo kostet.

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