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Erster Test: Land Rover Range Rover – Die Welt ist nicht genug

Von den Sanddünen der Sahara an der marokkanischen Atlantikküste über Schotterpisten und Autobahnen nach Marrakech, durch reißende Gebirgsbäche und schließlich hinauf auf die knapp dreitausend Meter hohen Gipfel des Atlas-Gebirges im Schatten des Tobukalehs.

Wer sich auf so einen Trip wagt, braucht einen robusten Geländewagen. Wer dabei auch noch ausgesprochen komfortabel reisen will, braucht den neuen Range Rover. Zumindest auf dieser Welt scheint den Briten nichts aufzuhalten.   Zugegeben, ganz alleine ist Land Rover nicht im Segment der Luxus-Offroader, auch wenn der englische Autobauer seine Alleinstellungsphantasie gerne streut. Messen muss sich der neue, nunmehr vierte Range Rover vor allem mit dem Mercedes-Benz GL, der ebenfalls 2012 erneuerte wurde, und auch mit den mittlerweile betagten Audi Q7 und Toyota Landcruiser. Dass sich Land Rover außerdem schon jetzt in einer Liga mit dem kommenden Bentley-SUV sieht, kann getrost als kleine Überschwänglichkeit gewertet werden.

Fakt aber ist, dass Land Rover bei der Neuauflage sowohl die Geländegängigkeit auf die Spitze getrieben hat als auch den Komfort. Nie war es einfacher, mit einem Range Rover auch schwerstes Terrain zu befahren. Die Bodenfreiheit stieg um weitere 17 Millimeter auf nunmehr über 30 Zentimeter, viel Hirnschmalz floss in das neue Ansaugsystem, das so konzipiert ist, dass der Brite jetzt auch ohne Schnorchel durch 90 Zentimeter tiefes Wasser waten kann, und die zweite Generation des Terrain-Response-Systems, einem Drehschalter, der dem Wagen sagt, in welchem Gelände er sich gerade befindet, damit dieser Motorsteuerung, Getriebe, ESP und Mitteldifferenzial entsprechend einstellen kann, wurde um einen Automatikmodus erweitert.

Kinderspiel

So lassen sich zwar nach wie vor Felsenkriechen, Sand, Schlamm oder Schnee als Modus separat anwählen, doch erkennt der Range in fast allen Lebenslagen den Untergrund selbst. Nur in wirklich schwierigem Gelände empfiehlt es sich, den Wagen per Drehschalter auf das vorzubereiten, was da gleich kommt. Zusammen mit der bei bis zu 60 km/h während der Fahrt zuschaltbaren Getriebeuntersetzung (2,93:1) für die serienmäßige, feine Achtgang-Automatik, den verschiedenen Hoch-Niveaus der serienmäßigen Luftfederung, einem optionalen selbstsperrenden Hinterachsdifferential und einer Offroad-Anzeige, die dem Fahrer genau sagt, ob und wie schief der Range gerade hängt und wie die Räder stehen, zwingen weder weicher, tiefer Sand noch harte, schroffe Felsen den Range Rover in die Knie.

Als hätte er seit der Premiere der ersten Generation vor vierzig Jahren nichts anderes geübt, marschiert der 4.999 Millimeter lange Land Rover durchs Gelände und stellt seinen Fahrer nur selten vor knifflige Aufgaben. Während dieser noch nachdenkt, wie er das Hindernis am besten passiert, ist der Range schon drüber hinweg. Unaufgeregt, ja fast schon gelangweilt watet er durch Flüsse, erklimmt matschige Steigungen und kriecht über Felsbrocken. Ihm Steine in den Weg zu legen, bringt also gar nichts, und man kann getrost sagen, dass man Stellen, wo der Range nicht hinkommt, wohl nur mit ein paar ganz wenige Extrem-Geländewagen erreicht, oder per Esel.

Luxus und High

Dabei ist die vierte Generation alles andere als ein spartanisches Arbeitstier vom Schlag eines Defenders. Das Wohlfühlprogramm beginnt, sobald man auf den lehnstuhlgroßen Sesseln, die auch bei der Themsen-Lisbeth im Vorzimmer stehen könnten, Platz genommen hat. Sitzheizung, Sitzkühlung und Massagefunktion machen den holprigen Untergrund schnell vergessen, nur der Seitenhalt könnte im wackeligen Gelände etwas besser sein. Hinten gibt es wahlweise eine geräumige Rückbank für drei Personen oder luxuslimousinenartige Einzelsitze mit einer großen Konsole dazwischen, und im Kofferraum mit elektrischer, zweigeteilter Heckklappe und Gepäck-Fixierschienen lassen sich mühelos 909 Liter verstauen, bei umgeklappter Rückbank sogar über 2.000.

Der Arbeitsplatz des Fahrers ist nicht nur dank feinster Materialien deutlich hochwertiger als bisher; Land Rover hat außerdem mit dem großen Feudel durchgewischt und dabei rund die Hälfte der Tasten entsorgt; in der Mittelkonsole findet sich nur noch eine Hand voll Knöpfe für die Grundfunktionen von Klimaanlage und Radio, der Rest wird über einen großen Touchscreen gesteuert. Ein weiterer Bildschirm dient als Instrumententräger, Tacho, Drehzahlmesser und aller weiteren Anzeigen werden dort nur noch virtuell als Grafik dargestellt. Allerdings mit deutlich besserer Auflösung als beim Konzern-Verwandten Jaguar XJ, dessen Dashboard noch sehr an ein schlechtes Computerspiel erinnert. Zwischen den Instrumenten gibt es außerdem einen großen Bordcomputer, der unter anderem auch die Navigationskarte darstellen kann.

Abgespeckt

Dass sich der Range Rover im Gelände besser schlägt denn je, gleichzeitig aber auch auf der Straße ein bisher nicht gekanntes Dynamikniveau an den Tag legt, hat er unter anderem seiner Abmagerungskur zu verdanken. Mehr als 400 Kilogramm hat das Dickschiff mit Aluminium-Monocoque-Karosserie und Alu-Fahrwerk abgespeckt. Vom Fleisch fällt der Range deswegen trotzdem nicht, die Waage bescheinigt ihm nach wie vor mindestens 2,2 Tonnen Leergewicht.  

Weitere die Fahrdynamik steigernde Maßnahmen sind eine neue, elektrische Servolenkung, die zwar SUV-typisch nicht superdirekt, trotzdem aber äußerst präzise arbeitet; sie ermöglicht es dem Range außerdem, sich selbstständig einzuparken. Hinzu kommen ein System zum Neigungsausgleich, das dem Land Rover in der Kurve das Einknicken austreibt und adaptive Dämpfer, die mindestens 500 Mal pro Sekunde die Karosseriebewegung abfragen und sich entsprechend darauf einstellen. Eine Wahlmöglichkeit zwischen Komfort- und Sport-Modus gibt es zwar nicht, der ausgewogene Kompromiss lässt diese aber auch nicht vermissen.   

Erstmals mit Sechszylinder

Während sich der Range also so leichtfüßig, wie ein Elefant eben sein kann, ums Eck jagen lässt und ihn die verlorenen Kilos auch im Gelände leichter kraxeln lassen, wirkt sich die Gewichtsreduktion freilich auch auf den Verbrauch der beiden schon im Vorgänger eingesetzten Achtzylinder aus. Der kompressorgeladene 5,0-Liter-Benziner mit 510 PS und 625 Newtonmeter Drehmoment nimmt sich 13,8 Liter (minus sieben Prozent), der Selbstzünder, der seine 339 PS und 700 Newtonmeter aus 4,4 Liter Hubraum schöpft, verbrennt auf 100 Kilometer 8,7 Liter - jeweils im europäischen Testzyklus.

Noch sparsamer ist der neue Sechszylinder-Diesel, den es erstmals im Range Rover gibt. Er verbraucht nur 7,5 Liter bei einer Leistung von 258 PS, die sich bei unserer ersten Ausfahrt in fast allen Situationen als ausreichend erwiesen hat. Nur beim Dünen-Bergauf-Rennen fuhren die Achtzylinder dem TDV6 davon, dem kurz vorm Gipfel die Puste ausging. Sonst aber meisterte auch der kleinste, mit kräftigen 600 Newtonmeter gesegnete Motor jegliche Unwegsamkeit vorbildlich und verschafft sich dadurch, dass er rund 200 Kilogramm weniger auf den Rippen hat als die Achtender, im Gelände, aber auch in Sachen Fahrdynamik oftmals Vorteile.

Kaum Nachteile

Dass er nicht ganz so souverän beschleunigt wie die etwas kultivierteren und mit ihrem tiefen Blubbern freilich auch klanglich attraktiveren V8-Motoren, verzeiht man ihm nicht erst beim Blick auf die Tankrechnung gerne. Schließlich sprintet der TDV6 in 7,9 Sekunden auf Tempo 100 und wird bis zu 207 km/h schnell. Der TDV8 erledigt die Standarddisziplin eine Sekunde schneller und schafft acht km/h mehr, und nur der Benziner erreicht, gegen Aufpreis und mit 22-Zoll-Rädern, 250 Sachen; standardmäßig ist bei 225 km/h Schluss.   

Außerdem steht der Sechszylinder ja auch in der Preisliste ganz oben und ist als einziger für unter hunderttausend Euro zu haben; für 89.100 Euro gibt es die Basis-Ausstattung HSE. Die Achtzylinder kommen beide in der mittleren Vogue-Version, 107.100 Euro werden für den Selbstzünder fällig und der vor Kraft überbordende Benziner kostet mindestens 113.600 Euro. Was in welcher Ausstattungslinie inbegriffen ist, steht noch nicht fest, und auch ob - und wie viel - für Schmankerl wie Abstandstempomat, Kreuzungs- und Bordsteinkamera oder die 1.700 Watt starke Soundanlage bezahlt werden muss, ist noch offen. Geschenkt dürfte dem Kunden aber wohl kaum etwas werden. Komfortabler und einfacher als der neue Range Rover kam noch kein Landy durchs Gelände. Die vierte Generation des Offroad-Klassikers verwöhnt die Insassen mit reichlich Platz und Luxus - optisch wie haptisch - und bietet alle heutzutage gängigen Annehmlichkeiten und Techniken. Mögliche Kritikpunkte wie etwa die zu tief platzierten Türgriffe oder die verbesserungsfähige Kartendarstellung des Navis  sind nur kleine Schönheitsfehler.

Im Gelände überzeugt der Range Rover auf jedem Terrain, weder Sand noch Felsen, steile Hänge oder Flüsse können ihn aufhalten – höchstens ein platter Reifen. Die ganze Kraxelei geschieht, ohne dass der Fahrer sich anstrengen müsste; er braucht noch nicht mal besondere Kenntnisse. In der Regel übernimmt der Auto-Modus des Terrain-Response-Systems das Denken, selbst die Differenzialsperren legt der Range von alleine ein. Indem er jede Unwegsamkeit zur Kaffeefahrt werden lässt, macht es der Brite einem aber auch schwer, noch richtige Abenteuer zu erleben. Zumindest diese Welt scheint dafür nicht mehr genug zu sein...

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