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Bericht: Heißland-Erprobung mit VW – Jenseits von Afrika

40 Grad im Schatten, kaum ein Baum weit und breit und die einzige Tanne steht im Hotelfoyer und ist aus weißem Plastik – Winterstimmung will da bei Männern wie Hermann Dreyer partout nicht aufkommen.

Während sich die Kollegen daheim in Wolfsburg so langsam auf Weihnachten einstimmen und den Feierabend bisweilen mit einem Glühwein beginnen, ist der Leiter der Gesamtfahrzeugentwicklung zusammen mit einer halben Hundertschaft von VW-Entwicklern Mitten im Dezember noch einmal am anderen Ende der Welt unterwegs und treibt die Neuheiten des nächsten Jahres bei letzten Tests durch den Norden Südafrikas. 13 000 Kilometer südlich von Wolfsburg, in einem Kaff, dessen Namen die Truppe lieber nicht öffentlich machen will, treiben er und seine Kollegen mehr als 30 millionenschwere Prototypen vom langen Tiguan bis zum neuen Flaggschiff Arteon über einsame Wüstenpisten und überraschend gut ausgebaute Landstraßen, bis der Vorstand endlich grünes Licht für die Serienfertigung gibt. Und das ist weder für die Autos noch für die Mitarbeiter ein Spaß: Für die Autos nicht, weil sie hier härter rangenommen werden, als es in München, Manhattan oder Moskau je der Fall sein wird. Und für die Entwickler nicht, weil es hier schon morgens so heiß ist, dass einem der Schweiß läuft. Und wer sich nicht vor dem Frühstück mit Lichtschutzfaktor 50 einschmiert, der hat nach dem zweiten Kaffee den ersten Sonnenbrand.

Dort wo 35 Grad kalt sind

„Wir proben hier den Ernstfall für unsere Autos“, sagt Entwicklungsvorstand Frank Welsch, als er nach der immer gleichen Routine durch die Erlkönige wechselt und vom neuen Top-Modell VW Arteon in den Tiguan Allspace umsteigt, der seine Premiere als Langversion des Bestsellers schon in ein paar Wochen in Detroit feiert und deshalb auch nur noch ganz dezent getarnt ist. Dabei geht es weniger um die Abstimmung von Sicherheits- oder Assistenzsystemen, wie sie es auf dem Eis am schwedischen Polarkreis machen, oder um das Feintuning der Fahrwerke. Auch nicht unbedingt um klappernde Konsolen oder die Passung der Bleche.

Es geht vor allem darum, wie sich ein neues Modell im simulierten Alltagseinsatz unter extremen Bedingungen schlägt. Und extrem können die Bedingungen am Rande der Kalahari schon mal werden: „35 Grad sind hier schon kalt“, sagt Welsch, 40 Grad sind die Regel und bisweilen geht das Thermometer auch schon mal an die 50er-Marke“, sagt der Vorstand und kippt die dritte Flasche Wasser binnen zwei Stunden, bevor er nach 50 Kilometer ins nächste Auto wechselt und plötzlich vom beredten Plauderer zum schmallippigen Schweiger wird. Denn bis dieses Modell in den Handel kommt, dauert es noch fast ein Jahr und deshalb wird dazu auch nichts verraten. Nicht umsonst ist die Tarnfolie hier dicker als bei den anderen Testwagen und selbst innen ist alles mit schweren schwarzen Planen verhangen.

Irgendwo in Afrika

Dass die Niedersachsen ausgerechnet hier testen und sich dabei mit den Kollegen von Mercedes oder BMW die Klinke in die Hand geben, hat neben der großen Hitze mehrere Gründe: Es liegt an der einst für das Space Shuttle verlängerten Runway des Flughafens, auf dem deshalb nicht nur die Learjets der Vorstände landen können, sondern auch die Antonows, mit denen die Konzerne ihre Prototypen um die Welt fliegen, weil sie für die lange Reisezeit auf dem Schiff viel zu teuer sind. Es liegt daran, dass es hier ein paar Straßen gibt, auf denen sich die Tester ganz legal mit speziellen Lizenzen über das Tempolimit von 120 km/h hinweg setzten dürfen und so zum Beispiel eine mögliche Sportversion des Arteon schon mal mit 303 km/h durch die Wüste fliegen konnte oder selbst der Up zum wilden Feger wird, wenn die neue GTI-Version mit 115 PS an der 200er-Marke kratzt. Und vor allem liegt es daran, dass dieses Nest so abgelegen ist, dass sich selbst die PS-Papparazzi selten hierher verirren und die Modelle von Morgen deshalb bisweilen sogar völlig ungetarnt auf der Hauptstraße geparkt werden, ohne dass jemand von ihnen Notiz nimm. Auch das ist ein Grund, weshalb die Truppe höflichst um Stillschweigen bittet, wenn es um den Namen der Ortschaft geht. „Irgendwo in Afrika“ - das möge bitte reichen, ist die Sprachregelung.

Weil die Autoindustrie hier seit Jahren herkommt, hat sich die Region auf die Tester längst eingestellt. Die Datenleitungen in den Hotels sind besser als sonst im Land, es gibt überdurchschnittlich viele Tankstellen und im Gewerbegebiet um den Flughafen finden sich zahlreiche unauffällige Hallen, in denen die Ingenieure ihre temporären Werkstätten einrichten können. Nur eines fehlt den Automännern aus dem Norden noch: „Dass wir in der Autobranche gerade eine elektrische Revolution erleben, hat sich bis hierher noch nicht herumgesprochen,“ sagt Welsch und berichtet von einer einzigen Ladesäule im Ort. Schon für die Erprobung der GTE-Modelle bei Golf und Passat hat sich die VW-Truppe deshalb in den letzten Jahren etwas einfallen lassen müssen. Doch mit ein paar Verlängerungskabeln ist es bald nicht mehr getan. Denn ab dem kommenden Winter sind die ersten rein elektrischen Fahrzeuge des Modularen Effizienzbaukastens MEB mit bei der Sommerfahrt und in Wolfsburg überlegen sie deshalb schon, ob sie im Rahmen der Entwicklungshilfe ein paar Ladesäulen nach Afrika schicken. Und aus purem Eigennutz natürlich.

Bis dahin ist aber noch ein bisschen Zeit und jetzt geht es für Männer wie Gesamtfahrzeug-Entwickler Hermann Dreyer erst einmal darum, möglichst schnell die Zelte abzubrechen. Kaum ist der Vorstand wieder heimgeflogen, zieht es auch den Rest der Truppe nach Norden in die Kälte und zwei Tage später ist das Testercamp leer wie eine Wasserstelle in der Trockenzeit. Denn Weihnachten wartet schließlich nicht. (sp-x/bb/jms)

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